von Zülfü Livaneli

Der 2017 ins Deutsche übersetzte Roman Schwarze Liebe, Schwarzes Meer von Livaneli erzählt nach Serenade für Nadja wieder von einem Zusammentreffen zweier Menschen, die nicht verschiedener hätten sein können.

Ahmet, ein Architekt in Pension, der sich vor einigen Jahren gemeinsam mit seinem hässlichen Hund Kerberos aus der Großstadt Istanbul in ein kleines Dorf am Schwarzen Meer zurückzieht, lernt die junge, neugierige und wissbegierige Journalistin Pelin kennen, die aufgrund eines Mordfalles in das Dorf reist.

Ahmet hat durch eine Abfolge von Schicksalsschlägen eine psychische Krankheit entwickelt, die ihm den körperlichen Kontakt mit anderen Menschen unmöglich macht. Selbst das Schütteln von Händen ist für ihn undenkbar. In seiner selbst gewählten Isolation ist seine Haushälterin, die oftmals vorbeischaut und die kürzlich ermordete Arzu die einzigen, dessen Gesellschaft er duldete.

Die Journalistin, die dies erfährt, verspricht sich durch ein Interview mit Ahmet eine große Schlagzeile und einen Karrieresprung. Doch stattdessen bekommt sie als erstes Tatanalysen, die er ihr dann doch als Geschichten verkauft und sie verwirrt. Auch wenn sie sich verspricht diesen seltsamen Kautz nicht nochmal aufzusuchen, bringt sie ihre Neugierde wieder zu ihm.

Während sie nicht weiß, was sie von diesem verrückten alten Mann halten soll, hat Ahmet bereits jedes Detail an ihr analysiert und kann bereits durch das Verziehen ihrer Miene erahnen, was sie denkt.

Im Zusammenhang mit diversen Ereignissen, die den Mordfall betreffen, beschließt die Journalistin für einige Tage sein Gast zu sein.

Auch wenn sich Ahmet den Grund selbst nicht erklären kann, baut er der Journalistin gegenüber in kurzer Zeit ein Vertrauen auf, was es ihm erlaubt eine Freundschaft aufzubauen, die er bis zu diesem Zeitpunkt für niemals möglich galt. Er entscheidet sich dazu ihr die tragische Geschichte seines Zwillingsbruders Mehmet zu erzählen…

Mehmet hat sich sehr gewünscht, sterben zu können, das wäre eine Erlösung für ihn gewesen, aber… Ihm ist etwas anderes zugestoßen, etwas so Schlimmes, dass er nicht einmal Selbstmord begehen konnte…

S.97

Diese herzzerbrechende und zugleich erschreckende Geschichte  ist die Ursache für Ahmets selbst gewählte Isolation. Er ist fest davon überzeugt, dass die Liebe, die allen als das Schönste verkauft wird, in Wahrheit das gefährlichste und vernichtendste Gefühl ist, welches existiert.

Die Liebe ist das gefährlichste aller menschlichen Gefühle, mit nichts anderem zu vergleichen

S.95

Warum gerade er so empfindet, deckt Livanli am Ende der Geschichte durch eine wahrlich unerwartete und trostlose Wendung auf…

Ich sage dir ja, die Liebe ist das gefährlichste Gefühl der Welt, sie führt die Menschen ins Verderben…

S. 153

Auch mit diesem Roman schafft es Livanli die Leser mit seiner begabten und künstlerischen Ader in den Bann zu ziehen. Das wiederkehrende Motiv der tragischen Liebe taucht auch wieder auf und lässt die Leser mitleiden und die Sehnsucht spüren. Zum einen wird man durch Mehmets Geschichte und zum anderen durch den Mordfall gefesselt.

Es ist faszinierend, wie er es schafft aus verschiedenen Perspektiven so real zu berichten und dadurch die analytischen Fähigkeiten seines Protagonisten Ahmet so gut zum Vorschein bringen kann. Außerdem schafft er es durch sein überraschendes Ende den Leser noch ein letztes Mal die Sprache zu verschlagen, bevor sie die letzte Seite erreichen.

Das Lesererlebnis ist wieder eine Klasse für sich und auch die Übersetzung lässt sich definitiv sehen!